“Wir zeigen, wie die Zukunft aussehen kann.“

Seit 2019 ist Dr. Martin Kremmer Leiter des European Technology Innovation Center (ETIC) in Kaiserslautern. Im Interview spricht er über die Digitalisierung der Landwirtschaft und die Rolle seiner Einrichtung innerhalb des John Deere Konzerns.

Interview: Katja Beth
Fotos: John Deere

Herr Kremmer, Sie haben bei der Agritechnica 2019 mit der „Future Technology Zone“ (FTZ) ihren Einstand gegeben und offen und selbstbewusst Innovationen von John Deere gezeigt. War das der Anfang einer neuen Strategie?

Wir haben lange dafür geplant und viele Kollegen aus unterschiedlichen Teilen der John Deere Welt haben daran mitgearbeitet. Uns war wichtig, dass wir für unsere Kunden, Investoren und eine breite Öffentlichkeit authentisch darstellen, wie die Zukunft aussehen kann und was John Deere technologisch dazu beiträgt.

Innovation ist einer der Grundwerte der John Deere Strategie und deswegen haben wir die FTZ bewusst ins Zentrum unseres Messeauftritts platziert. John Deere entwickelt sich zu einer „Smart Industrial Company“. Dabei spielen Elektrifizierung, Automatisierung und Anwendungen Künstlicher Intelligenz eine immer größere Rolle. Dies glaubhaft zu kommunizieren, war nur offensiv in einer entsprechenden Größe möglich.

Wie spielen die Kernbegriffe Elektrifizierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI) aus Ihrer Sicht zusammen?

Die Elektrifizierung ist oft Grundvoraussetzung für die Automatisierung. Nehmen wir zum Beispiel unsere elektrifizierte Einzelkornsätechnik ExactEmerge. Hier ermöglichen wir Landwirten bzw. Lohnunternehmern, durch elektrische Antriebe für die Vereinzelung und für den Transport vom Vereinzelungsorgan in die Furche, Saatkörner zentimetergenau, überlappungsfrei und bei hohen Fahrgeschwindigkeiten über 15 km/h hochautomatisiert abzulegen.

Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz wird uns zum Beispiel dabei helfen, Beikräuter von Nutzpflanzen zu unterscheiden. Durch Automatisierung ermöglichen wir unseren Kunden, treffsicher Pflanzenschutzmittel auszubringen. Das hilft den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um bis zu 90 % zu reduzieren. Ich glaube nicht, dass man den Fortschritt auf eine Technologie reduzieren darf. Der Schlüssel zum Erfolg liegt eben in der Kombination!

Vereinfacht gesagt bewegt sich die Landwirtschaft von der Behandlung der Fläche zur individuellen Behandlung der Einzelpflanze hin? Was fasziniert Sie mehr? Die Entwicklung der Technik oder die Veränderung eines traditionsbewussten Wirtschaftsbereichs?

Beides sind Trends, die nicht aufzuhalten sind und die eng miteinander verbunden sind. Was mich hierbei am Meisten fasziniert ist, dass wir unseren Kunden nicht nur ökonomisch helfen, mit weniger Einsatz mehr Output zu generieren, sondern wir unterstützen sie auch dabei, nachhaltiger zu wirtschaften. Durch neue Technologien versetzen wir unsere Kunden und Lohnunternehmer in die Lage, irgendwann jeder Einzelpflanze die Nährstoffe zukommen zu lassen, die sie für optimales Wachstum braucht.

Bieten sich beim „Digital Farming“ Chancen, bei wichtigen globalen Zukunftsfragen, wie etwa Ernährung der Weltbevölkerung und Klimaschutz, wieder ein wichtigerer Ansprechpartner zu werden?

Die Digitalisierung in der Landwirtschaft bietet große Chancen für uns und unsere Kunden. Durch Automatisierung optimieren wir den Einsatz der Maschine und helfen den Anwendern, das Potenzial der Technik auszuschöpfen. Die Joboptimierung versetzt Landwirte und Lohnunternehmer in die Lage, zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort Arbeiten durchzuführen. Dabei spielen Daten eine zentrale Rolle. Sie bilden den Schlüssel für eine Präzisionslandwirtschaft mit agronomischer Optimierung, die applikationskartenbasiert Ausbringmengen reguliert.

Wir müssen es schaffen, unseren Beitrag zur digitalen Landwirtschaft auch effektiv zu kommunizieren. Das beschleunigt die Implementierung und wird uns helfen, in der Diskussion, um zukünftige und digitale Landwirtschaft vorne mit dabei zu sein.

Wie sehen Sie die Position des ETIC im Unternehmen?

Das ETIC spielt eine besondere Rolle im Konzern. Die Stärke des ETICs ist seine Diversität und die gute Vernetzung mit anderen John Deere Einheiten, insbesondere mit der Intelligent Solutions Group (ISG), mit der wir uns die Gebäude am Standort Kaiserslautern teilen. Auch die Netzwerke mit nationalen und internationalen Verbänden zählt zu den Hauptstärken des ETICs.

Durch öffentlich geförderte Forschungsprojekte sind wir in der Lage, an einem großen Spektrum an Zukunftsthemen zu arbeiten und über den Tellerrand hinauszublicken. In den einzelnen Fachabteilungen beschäftigen wir uns mit Automatisierung von Systemen und mit digitalen Lösungen. Durch Advanced Marketing und durch die Lead Farms können wir unter realen Bedingungen auch die agronomische und wirtschaftliche Seite von Precision Farming ermitteln. Damit decken wir das gesamte Vorentwicklungsspektrum ab. 

Hier waren und sind wir auch Impulsgeber für Entwicklungen in unseren Produktlinien, die wir JD-intern auch „Plattformen“ nennen. Nehmen Sie zum Beispiel die traktorintegrierte Anbaugerätelenkung oder die intelligente Schwingungstilung für Großpackenpressen, die auf der Agritechnica 2017 bzw. 2019 jeweils mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurden. Dies sind Entwicklungen, die von unseren Mitarbeitern, Doktoranden und Studenten in Zusammenarbeit mit den Kollegen der Traktorplattform, von Crop Care und ISG entstanden sind.

Letztlich sehe ich unsere Hauptaufgabe nicht nur in der Bereitstellung von Technologien, sondern auch in der Identifikation, dem Fördern und der Entwicklung von Talenten, die die Zukunft der Landtechnik im Allgemeinen und von John Deere im Speziellen mitgestalten werden.

Quelle: JOHN DEERE